Forschungsprojekt: Die Verflechtung von Wirtschaft, Recht, Politik und Religion Palästinas in hellenistischer und römischer Zeit

Spätestens seit Martin Hengels Studie "Judentum und Hellenismus" hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass nicht nur das so genannte hellenistische Judentum, sondern auch das palästinische Judentum vielfältige kulturelle Einflüsse der hellenistischen Welt aufweisen. Die archäologische und speziell auch die numismatische Forschung der letzten drei Jahrzehnte hat dazu beigetragen, zwischen den verschiedenen Regionen Palästinas stärker zu differenzieren. So scheint Galiläa mehr überregionale kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen unterhalten zu haben als Judäa. Dabei sind die ständig veränderten politischen Rahmenbedingungen der hellenistischen und dann der römischen Zeit ebenso zu berücksichtigen, wie religionsgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche und rechtsgeschichtliche Studien zum Ptolemäischen, Seleukidischen und Römischen Reich. Hier gilt es, die regionalen Unterschiede ebenso in den Blick zu nehmen, wie die verschiedenen Bedingungen im jeweiligen Kernland und den verschiedenen Provinzen.

Religion, Politik, Ökonomie und Recht bildeten im Alltagsgeschehen der Antike ein ineinander verzahntes Geflecht von Überzeugungen, Machtstrukturen, Wirtschaftsformen, Vorschriften und Gewohnheiten. Münzen waren nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Träger religiöser und politischer Botschaften. Politische Herrscher hatten nicht nur weltliche Macht, sondern waren zuweilen auch Priester oder galten gar als göttliche Wesen. Tempel waren nicht nur religiöse Kultstätten, sondern auch bedeutende Wirtschaftsfaktoren und Orte der Rechtsprechung. Religiöse Überzeugungen verschafften sich nicht nur im Kult Ausdruck, sondern auch in der Produktion von Lebensmitteln, sowie der Gestaltung von Geräten und Räumen, und nicht zuletzt waren sie auch wichtige Faktoren politischer Entscheidungen.

Die Erforschung der Zusammenhänge von Religion, Recht, Politik und Wirtschaft zielt auf eine historisch angemessene Rekonstruktion der Welt, in der die biblischen Texte entstanden sind Die stärkere Berücksichtigung archäologischer, numismatischer und historisch-geographischer Forschungen soll dabei ein komplexeres Bild insbesondere der Wirtschaftsgeschichte des Antiken Judentums aufzeigen, das z.B. das idyllische Bild eines "bäuerlichen Galiläas", oder die rabbinische Projektion eines in sich geschlossenen jüdischen Wirtschaftsraumes korrigiert, zu dem gerade auch unkritische Verwendungen der Talmudliteratur beigetragen haben. Damit werden nicht nur neutestamentliche und frühjüdische Texte erhellt, sondern die Kulturgeschichte des antiken Palästinas insgesamt.

Das Projekt ist vernetzt mit der von Eckart Reinmuth geleiteten Edition und Übersetzung der frühjüdischen Schrift "Joseph und Aseneth" in der Reihe SAPERE. Für diese Ausgabe wird ein Beitrag zu den wirtschaftlichen und juristischen Realien erarbeitet, die diese Schrift voraussetzt.

Literaturhinweise

  • Stefan Alkier, Wirtschaftsleben in der Antike. Religion, Politik, Ökonomie und Recht, BuK, (2007), 2-9
  • Stefan Alkier, Das Wirtschaftsleben, in: Neues Testament und Antike Kultur - NTAK II (Studienbuch), hg. v. Kurt Erlemann, Karl-Leo Noethlichs, Klaus Scherberich, Jürgen Zangenberg, Neukirchen-Vluyn 2005, 181-186.
  • Stefan Alkier, "Geld" im Neuen Testament, in: Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, hg.v. S.Alkier, J.Zangenberg u.M.v K. Dronsch und M. Schneider, TANZ 42, Tübingen/Basel 2003, 308-335.
  • Stefan Alkier, Jürgen Zangenberg (Hg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen/Basel 2003
  • Die Griechen und der Vordere Orient. Beiträge zum Kultur- und Religionskontakt zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient im 1. Jahrtausend v. Chr. (OBO 191), hg.v. S.Alkier und M.Witte, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2003.
  • Die Griechen und das antike Israel. Interdisziplinäre Studien zur Religions- und Kulturgeschichte des Heiligen Landes (OBO 201), hg. v. S. Alkier und M. Witte, Fribourg (Schweiz)/Göttingen 2004.
  • Wirtschaftsleben in der Antike. Die Verflechtung von Politik, Theologie, Ökonomie und Recht, in: Bibel und Kirche 1/2007, 2-9.