Der Friedhof von Abu Hamed (Syrien)

Der Fundort Abu Hamed liegt ca. 30km östlich der nordsyrischen Provinzhauptstadt Raqqa, an der Straße nach Der ez-Zor und nahe der kleinen Ortschaft Ghanem Ali. Wenige Hundert Meter südlich des heutigen Euphratverlaufs steigt das Gelände hier steil zur oberen Euphratterrasse an. Auf dieser mehrere Qudratkilometer großen Ebene, die bis an den Fuß des südlich gelegenen Djebel al-Bishri reicht, liegen zahlreiche z. T. ausgedehnte Gräberfelder.

Im Jahre 1989 wurden dem syrischen Antikendienst in Raqqa massive Raubgräbertätigkeiten in dem bis zu diesem Zeitpunkt archäologisch noch unerforschten Gebiet gemeldet, woraufhin es im Frühjahr 1990 zu einer sechswöchigen Rettungsgrabung kam. Ziel dieser Grabung war es, Anlage und Gliederung der Gräberfelder sowie die Architektur der Grabanlagen zu dokumentieren und die Funde zu sichern. Ein kurzer Vorbericht über die Ergebnisse der Untersuchungen wurde von Jan-Waalke Meyer, der die Ausgrabungen vor Ort leitete, bereits veröffentlicht.

Ansicht eines Gräberfeldes in Abu Hamed

Die besondere Bedeutung von Gräbern besteht darin, dass sie geschlossene Fundkomplexe bilden, die Einblicke in das gesellschaftliche Leben eines bestimmten Zeitraums erlauben. So lassen sich über die Art und Anzahl der in einem Grab miteinander vergesellschafteten Beigaben Informationen über Bestattungspraktiken und Rituale sowie möglicherweise über die soziale Stellung des Bestatteten und die gesellschaftliche Struktur gewinnen.
In Abu Hamed wurden neben der Keramik auch eine Anzahl anderer Beigaben wie Waffen, Schmuckbestandteile in Form von Gewandnadeln, Ringen, Anhänger und Perlen, Terrakotten und ein Rollsiegel geborgen.
Viele Anlagen in Abu Hamed waren infolge von Plünderungen stark gestört, so dass sich von den Grabbeigaben nur noch verstreute Fragment fanden. Allerdings konnten im Rahmen der Grabung noch einige intakte Anlagen mit unversehrten Inventaren untersucht werden.
Insgesamt besteht das keramische Material in der Hauptsache aus fragmentierten Oberflächenfunden, die aber zumeist einzelnen Gräbern innerhalb der Gräberfelder zugeordnet werden. Hinzu kommen vollständige Gefäße aus ungestörten Kontexten sowie in der Umgebung konfiszierte Gefäße, deren Herkunft aus Abu Hamed als sicher angenommen wird, da aus diesem Gebiet bislang keine weiteren vergleichbaren Fundorte bekannt sind.

Weibliche Terrakotte aus Grab GHA-J9


Weibliche Terrakotte aus Grab GHA-Z5


Der Friedhof war 1999 Gegenstand von zwei am Archäologischen Institut der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Abteilung Archäologie und Kulturgeschichte des Vorderen Orients, verfassten Magisterarbeiten. Eine Analyse des Friedhofs in Bezug auf die Architektur der Gräber und deren Verteilung wurde von Klaus Krasnik angefertigt, und das keramische Material wurde von Christian Falb bearbeitet.

In Abu Hamed wurden 20 Gräberfelder untersucht, die jeweils in sich geschlossene Areale verschiedener Größe bilden. Diese Areale liegen z. T. weiträumig voneinander entfernt und lassen untereinander beträchtliche Unterschiede in ihrem Aufbau und den Grabtypen erkennen. Die Gräber wurden entweder in natürlichen oder künstlich aufgeschütteten Anhöhen angelegt oder im flachen Gelände angelegt. Bei den aufwendiger gestalteten Anlagen handelt es sich um Schachtgräber mit seitlichen Kammern oder im Boden aufgemauerte Steinkisten. Zusätzlich fanden sich einfache Erdgräber. Auf einem Gebiet von 2 qkm wurden ca. 300 Gräber kartiert, wobei jenseits dieses Areals mit weiteren Gräberfeldern zu rechnen ist.
Aufgrund der Keramik kann der Friedhof in die spätere syrische Frühbronzezeit III bis IV A datiert werden. Das Nordsyrische Euphratbecken bildet in dieser Zeit als natürliche geographische Grenze den Schnittpunkt verschiedener Keramikprovinzen. Die im Rahmen des Tabqa Staudammprojektes zahlreich durchgeführten Rettungsgrabungen belegen dies besonders für die Region zwischen Raqqa und der heutigen syrisch-türkischen Grenze. Im Gegensatz hierzu ist ist das Gebiet östlich des syrischen Euphratbogens zwischen Raqqa und Der ez-Zor, in dem auch Abu Hamed liegt, ein archäologisch bislang noch weitgehend unerforschtes Terrain. Das keramische Material aus dem Friedhof belegt, dass der Euphrat auch hier eine Mittlerrolle im kulturellen Austausch darstellte. Neben der Einfachen Ware finden sich für dieses Gebiet typische Keramiken wie die Euphrat Ware und die Schwarze Euphrat Ware sowie die in Nordostsyrien beheimatete Metallische Ware und verschiedene Ausprägungen der Smeared Wash Ware.

Euphrat Ware aus Abu Hamed

Die Ergebnisse der Untersuchungen in Abu Hamed sind als Monographie umfassend publiziert worden. Neben den angesprochen Magisterarbeiten zu den Gräbern und der Keramik enthält die Publikation auch eine Bearbeitung der Tierknochen durch Emanuelle Vila und eine Bearbeitung der Kleinfunde. Mit der Veröffentlichung soll die in Saarbrücken gegründete Reihe „Gräber des 3. Jahrtausends v. Chr. im syrischen Euphrattal“ als Band 4 fortgesetzt werden. In der Reihe sind bislang die Gräber aus Tawi (Kampschulte / Orthmann 1984), Wreide (Orthmann / Rova 1991) sowie Shamseddin und Djerniye (Meyer 1991) erschienen.


Publikationshinweis
Al-Khalaf, M., Meyer, J.-W., Abu Hamed. Archiv für Orientforschung 40/41, 1993/94, 196-200.
Krasnik, K., Der Friedhof von Abu Hamed. Eine Analyse der Gräber. Unpubl. Magisterarbeit. Frankfurt (1999).
Falb, Chr., Die Keramik aus dem Friedhof von Abu Hamed. Unpubl. Magisterarbeit. Frankfurt (1999).
Meyer, J.-W., Chr. Falb, K. Krasnik, E. Vila Der Friedhof von Abu Hamed. Gräber des 3. Jahrtausends v. Chr. im syrischen Euphrattal 4. SVA 8, 2005.
Meyer, J.-W. The cemetery of Abu Hamad: A Burial place of pastoral groups? In: K. Ohnuma, A. Al-Khabour, Formation of tribal communities; Integrated research in the Middle Euphrates, Syria. Al-Rafidan, Special Issue, 2010, 155-163.



Ansprechpartner
Chr. Falb, J.-W. Meyer