Goethe Universität Frankfurt, Fachbereich Erziehungswissenschaften
und das Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Isabell Diehm ist am 12.6. 2023 verstorben.
Der Fachbereich und das Institut trauern um eine kluge, engagierte, warmherzige und sehr geschätzte Kollegin. Ihre Stimme und Gedanken bleiben uns in ihren zahlreichen Schriften erhalten und erinnern uns an sie.
Am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft und vor Isabell Diehms ehemaligem Büro (4. G 085) besteht die Möglichkeit zu kondolieren – ein Kondolenzbuch liegt aus.
Die geschäftsführenden Direktor*innen Prof. Dr. Bettina Kleiner und Prof. Dr. Wolfgang Meseth für das Institut
Die Dekanin Prof. Dr. Sabine Andresen für den Fachbereich
Nachruf auf
Prof. Dr. Isabell Diehm
* 19. April 1957 † 12. Juni 2023
Am 12. Juni 2023 ist unsere wunderbare Kollegin Isabell Diehm verstor-ben. Ihr Tod ist für uns alle ein großer Verlust. Mit Isabell Diehm verliert die Erziehungswissenschaft, die Goethe-Universität und unser Fachbe-reich eine hochgeachtete Wissenschaftlerin und eine kluge wissen-schaftspolitische Akteurin, eine warmherzige Gesprächspartnerin, eine kollegiale Gefährtin und eine beliebte Hochschullehrerin. Isabell Diehm war erziehungswissenschaftliche Migrations- und Geschlechterforscherin der ersten Stunde. Es ist ihr Verdienst, Kindheitsforschung und Elemen-tarpädagogik durch eine migrationstheoretische Perspektive erweitert zu haben, die stilbildend für erziehungswissenschaftliche Forschung insge-samt geworden ist. Von Beginn ihrer Karriere an war ihr Blick auf das Ver-hältnis von Migration, früher Kindheit und Elementarpädagogik gerichtet. Sie setzte aber auch wesentliche Impulse in der erziehungswissenschaft-lichen Geschlechterforschung und richtete ihren kritischen Blick auf ge-sellschaftliche Geschlechterordnungen und deren Bedeutung für Bildung, Erziehung und Sozialisation.
Isabell Diehm studierte in Frankfurt am Main an der Goethe Universität Soziologie, Erziehungswissenschaften und Psychologie. In enger Koope-ration mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaften arbeitete sie als Diplompädagogin zunächst, von 1982-1988, in unterschiedlichen Einrich-tungen der vor- und außerschulischen Erziehung als Sozialpädagogin und koordinierte von dort die an der Goethe Universität angesiedelte wissen-schaftliche Begleitung dieser Einrichtungen. Inspiriert von ihrer Arbeit im Schnittfeld von Forschung und Praxis kehrte Isabell Diehm 1988 ganz an die Goethe Universität zurück, wo sie bis zum Jahr 2000 als wissenschaft-liche Mitarbeiterin tätig war. 1993 wurde sie mit einer Arbeit zur „Erziehung in der Einwanderungsgesellschaft“ promoviert. Im Jahr 2000 folgte ihre Habilitation mit einer Schrift zum Thema „Pädagogik und Toleranz - Prä-missen und Implikationen Interkultureller Erziehung“.
Nach der Vertretung einer Professur für Sozialpädagogik an der Universi-tät Heidelberg und einer Stelle als Hochschuldozentin in Frankfurt ist Isa-bell Diehm 2005 einem Ruf an die Universität Bielefeld gefolgt und beklei-dete dort bis 2013 eine Professur für Migrationspädagogik und Kulturar-beit. In dieser Zeit war sie u.a. Dekanin und leitete im Rahmen eines DFG-Sonderforschungsbereichs das Projekt „Ethnische Heterogenität und die Genese von Ungleichheit in Bildungseinrichtungen der (frühen) Kindheit'“, mit dem sie ihre Forschung im Themenfeld Migration, frühe Kindheit und Elementarpädagogik konsequent vorantrieb. Das populäre Versprechen, Chancengleichheit primär durch frühkindliche Bildung zu realisieren, ist durch Isabell Diehms Forschung deutlich relativiert worden. Ihre Beiträge zur Reproduktion ethnisch-codierter Differenz in Einrichtungen frühkindli-cher Bildung sind hierfür wegweisend.
2013 kehrte sie an den Fachbereich in Frankfurt zurück. Auf ihrer Profes-sur im Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft hat sie mit ihrer Un-tersuchung über religiös codierte Differenzkonstruktionen eine neue Per-spektive auf Kindheits- und Migrationsforschung eingebracht.
Es ist das große Verdienst von Isabell Diehm, den Blick auf die „ungesteu-erten kindlichen Differenzierungspraktiken“ geschärft und damit auf die gesellschaftliche Einbettung der frühkindlichen Bildung aufmerksam ge-macht zu haben, die sich den Reproduktionsmechanismen religiös und ethnisch codierter Differenzordnungen nicht entziehen kann.
Neben ihrer intensiven, international hochgeachteten Forschung war sie über lange Jahre leidenschaftlich in der Hochschulpolitik aktiv. In ihrer Zeit als Dekanin unseres Fachbereichs hat sie von 2016 bis 2021 klug und mit Weitblick Maßstäbe gesetzt.
Mitte des Jahres 2021 erfuhr sie von ihrer unheilbaren Krankheit, die sie bis zu ihrem Tod mit einer Würde ertrug, die ihresgleichen sucht.
Mit Isabell Diehm verlieren wir eine herausragende Wissenschaftlerin und eine wunderbare Kollegin, die Generationen von Studierenden für ihre Forschung und das Fach Erziehungswissenschaft begeistern konnte. Auf ihr Wirken blicken wir in Dankbarkeit zurück. Ihre Art, Wissenschaft zu be-treiben, Hochschule zu gestalten, viele Mitglieder der Universität ins Ge-spräch zu bringen und die Erziehungswissenschaft als Disziplin theore-tisch und politisch zu profilieren, werden wir sehr vermissen.
Prof. Dr. Sabine Andresen, Dekanin des FB 04,
Prof. Dr. Wolfgang Meseth, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Allgemeine Erziehungswissenschaft