Das römische Kleinkastell auf dem „Blöskopf“ bei Bad Ems

Ein Beitrag zur frühkaiserzeitlichen Okkupation und zum römischen Bergbau an der unteren Lahn

 

Das untere Lahntal und seine Bedeutung für die römisch-germanischen Beziehungen in der frühen Kaiserzeit wird von den römischen Militärlagern bei Lahnstein, Limburg, Oberbrechen und Dorlar sowie der Stadtgründung Waldgirmes geprägt. Sie alle sind in spätrepublikanische bis spätaugusteische Zeit zu datieren. Als 2016 auf dem „Ehrlich“ oberhalb von Bad Ems ein ca. 8 ha großes Holz-Erde-Lager entdeckt wurde, schien ein weiteres augusteisches Lager gefunden zu sein. Ausgrabungen der Goethe-Universität 2017–18 konnten jedoch belegen, dass es zwischen 40 und 70 n. Chr. zu datieren ist.

Diese Entdeckung wirft neues Licht auf ein anderes, altbekanntes Denkmal. Über 100 Jahre lang galt die rechteckige, ca. 0,8 ha große Wall-Graben-Anlage auf dem Blöskopf bei Bad Ems als vermeintliches römisches „Hüttenwerk“. Ohne konkrete Anhaltspunkte wurde sie in den Kontext des unweit vorbeiziehenden Obergermanischen Limes gestellt und in die Zeit um 200 n. Chr. datiert. Eine Sondagegrabung 2008 und ihre Auswertung widerlegen dies. Vielmehr handelt es sich um eine kleinkastellartige Anlage, ebenfalls aus der Zeit um 40-70 n. Chr. Diese überraschende Erkenntnis wirft Fragen auf. Ein vorflavisches Kleinkastell ist rechts des Rheins bisher singulär. Ungewöhnlich für diese frühe Zeit ist auch die Existenz eines steinfundamentierten Bauwerks im Inneren. Welche Funktion(en) hatte das Lager, welche der Steinbau in seinem Inneren? In diesem Zusammenhang gilt es auch die Datierung und Funktion einer bisher unbekannten, nun aber im LiDAR-Scan sichtbaren Abschnittsbefestigung (Wall-Graben-Anlage) zu klären, durch die der Blöskopf-Pass in Richtung Osten abgesperrt und somit auch der Zugang zur Lahn kontrollierbar wurde. Stehen diese Anlagen im Zusammenhang mit den römischen Bergbauaktivitäten, die in der Region nachgewiesen sind und von Tacitus erwähnt werden? Welche Rolle spielte dabei das große Lager auf dem 1,5 km entfernten „Ehrlich“? Fielen beide Anlagen demselben Schicksal zum Opfer, wie finale Brandschuttschichten anzudeuten scheinen?

Wenn es gelingt, die Anlagen auf dem Blöskopf näher zu charakterisieren, ließe sich die bisher unbekannte claudisch-neronische Okkupationsphase an der unteren Lahn besser einordnen und deuten. In einer Kooperation der Goethe-Universität Frankfurt und der GDKE Koblenz sollen in einer sechswöchigen Ausgrabung drei gezielte Flächen angelegt werden. Ferner weisen geochemische Keramikanalyse auf bisher unbekannte Verbindungen zu gleichzeitigen Militäranlagen im Rhein-Main-Gebiet hin.

 

The lower Lahn region and its significance for the Roman-Germanic relations in the early imperial period is conditioned by the Roman military camps near Lahnstein, Limburg, Oberbrechen and Dorlar as well as Waldgirmes, a city in statu nascendi. They are all dated to the late Republican up to late Augustean period. When in 2016 on the mountain spur "Ehrlich" above Bad Ems an timber-earth fort of approx. 8 acre size was discovered it seemed that another Augustan camp had been found. However, excavations carried out by the Goethe-University 2017-18 proved that it has to be dated between 40 and 70 AD.

This discovery sheds new light on another well-known monument. For more than 100 years, the approx. 0.8 ha large site on the Blöskopf near Bad Ems confined by a rectangular ditch and wall system was considered to be a Roman blast furnace. Without concrete evidence, it was placed in the context of the nearby passing Upper German Limes and dated to the period around 200 AD. A sondage in 2008 and its examination refute this. Rather, it is a small fortlet-like complex, also from around 40-70 AD. This surprising insight raises questions. A pre-Flavian fortlet on the right bank of the Rhine is at present unprecedented. Unusual for this early period is also the existence of an interior building on stonewall foundations. Which function(s) did the camp have, which the stone construction in its interior? In this context it is also necessary to clarify the dating and function of an adjacent linear entrenchment (a ditch-wall-system) previously unknown, but now visible in the LiDAR scan, by which the Blöskopf pass was blocked to the east and thus also the access to the Lahn was controllable. Are these facilities related to Roman mining activities that have been demonstrated in the region and mentioned by Tacitus? What role did the large camp on the "Ehrlich" 1.5 km away play in this? Did both military sites fall victim to the same fate, as final layers of burned material seem to suggest?

If the layout on the Blöskopf could be characterized more precisely, the previously unknown Claudian-Neronic occupation phase of the lower Lahn region could be better classified and interpreted. As a cooperation of the Goethe-University Frankfurt and the GDKE Koblenz, three targeted areas are to be excavated during a six-week campaign. Furthermore, geochemical pottery analysis points to previously unknown connections to military sites in the Rhine-Main area of the same period.

 

 

 

Förderung Deutsche Forschungsgemeinschaft

Projektpartner GDKE, Landesarchäologie Koblenz (Dr. Peter Henrich, M. Neumann) Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz (U. Herz, M. Wittköpper)

Publikation

  1. Auth, D. Burger-Völlmecke, P. Henrich, M. Scholz, M. Wittköpper, Ein römischer Militärstützpunkt mit hölzernen Annäherungshindernissen. Vorbericht über die Ausgrabungen auf dem „Blöskopf“ bei Bad Ems, Rhein-Lahn-Kreis. Archäologisches Korrespondenzblatt 50, 2020 (im Druck).
  2. Auth, D. Burger-Völlmecke, P. Henrich, M. Scholz, M. Wittköpper, Eine römische Geländessperre auf dem Blöskopf bei Bad Ems. In: S. Matesić (Hrsg.), 9. Kolloquium der Deutschen Limeskommission, Koblenz 2019 (Bad Homburg v. d. H. im Druck).