Talentselektion im Deutschen Volleyball-Verband: Entwicklung eines standardisierten Erhebungsinstrumentes zur Erfassung psychologischer Leistungskomponenten

Projektleitung: Prof. Dr. Frank Hänsel (TU Darmstadt), Dr. Sören D. Baumgärtner
Projektmitarbeiterin: Jessica Oppawsky
Förderer: Bundesinstitut für Sportwissenschaft
Förderzeitraum: Juni 2016 – Mai 2017

Projektbeschreibung:
Immer wieder müssen Trainerinnen und Trainer entscheiden, welche Athletinnen und Athleten den Sprung in den nächsthöhere Kader schaffen, wo sie optimal weiter gefördert werden können. Als Basis für solche Selektionsentscheidungen im Sport wird in der Praxis häufig das Trainerurteil herangezogen. Obwohl die Fähigkeit der Trainer zu einem validen Urteil zu kommen, nicht unterschätzt werden sollte, wird von der Sportwissenschaft zunehmend gefordert, diese Black Box des Trainerurteils aufzuklären und dem Selektionsprozess zu mehr Objektivität zu verhelfen. Eine Umsetzungsmöglichkeit besteht in der Ergänzung der subjektiven Entscheidung durch objektive Daten, wie es vom DVV auch schon seit Jahren, z. B. bei den C-/D-Kadersichtungen, umgesetzt wird. Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens beurteilen die Trainer ihre Eindrücke hinsichtlich der Talentkriterien Einsatz, Misserfolg, Soziales, Lernfähigkeit, Lernbereitschaft und volleyballspezifische Motivation auf einer siebenstufigen Skala zwischen den Polen positiv und negativ. Hierzu muss kritisch erwähnt werden, dass vor allem in Selektionssituationen sogenannte Selbstauskünfte nicht vollständig wahrhaftig ausfallen (Problematik der sozialen Erwünschtheit). Auf der anderen Seite besteht bei der Fremdbeurteilung die Schwierigkeit, dass psychologische Leistungskomponenten nicht immer direkt beobachtbar sind und somit aus Verhaltens-Situationskonstellationen, die auch im Alltag vorkommen, abgeleitet werden. Aus diesem Grund bedarf es der Kombination von direkt beobachtbaren Verhaltensweisen mit bestimmten Typen oder Kategorien von Situationen, sogenannter konkreter Verhaltensweisen-in-Situationen (Acts), was methodisch der Act-Frequency-Ansatz von Buss & Craik abdeckt.

Daher wurden in Phase 1 Interviews mit Volleyballexperten durchgeführt, in denen diese sowohl nach leistungsrelevanten psychologischen Komponenten als auch nach manifesten Verhaltensweisen in konkreten Situationen (Acts) befragt wurden. Die Interviews wurden anschließende qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet. Unter Zuhilfenahme der Literaturrecherche und den aus den Interviews extrahierten Expertenaussagen wurde unter Berücksichtigung der bereits vom DVV definierten Talentkriterien eine ebensolche Liste von psychologischen Kriterien erstellt. Diese Kriterienliste wurde Teilnehmern des 41. Internationalen Symposiums des Deutschen Volleyball Verbandes vorgelegt, die deren Relevanz für den Volleyballathleten einschätzen sollten. Im Anschluss wurden die relevanten Kriterien einer Clusterbildung unterzogen, bei der fünf finale Talentkriterien identifiziert wurden: Guter Umgang mit Misserfolg, Lernbereitschaft, Handlungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Einsatz und Leidenschaft. Diesen Kategorien wurden aus den Interviews entsprechende Acts zugeordnet. Ob diese Acts prototypisch waren, wurde in Phase 2 wieder von anderen Volleyballexperten (Bundestrainer) bewertet. Resultierend daraus wurde der finale Beobachtungsbogen mit den 5 Talentkategorien und den pro Kategorie jeweils 2 bis 4 sehr prototypischen Acts erstellt. Erstmalig getestet wurde der Bogen im Rahmen der männlichen D/C-Kadersichtung im November in Kienbaum. Damit war es den Trainern möglich, die von den Spielern gezeigten Verhaltensweisen qualitativ zu erfassen und ebenso nach der anschließenden Auswertung die gezeigten Leistungen der Spieler miteinander zu vergleichen. Darüber hinaus half diese vergleichende Darstellung auch bei der finalen Nominierungsentscheidung. Außerdem wurde der Beobachtungsbogen einem weiteren Praxistest unterzogen (Trainerfortbildung) bei einem EM-Qualifikationsspiel der U 21-Junioren. Nach den jeweiligen Testungen wurden die Trainer hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit der Anwendung des Bogens besonders zur Struktur, Verständlichkeit, zeitliche Anwendbarkeit, Ergebnisdarstellung, weiterer fehlender Kriterien und deren Verhaltensweisen sowie Änderungen und auch dem möglichen Einsatz in anderen Kontexten befragt. Die anschließende Auswertung brachte positive Rückmeldungen bezüglich der Struktur, des Verständnis und der Anwendbarkeit des Bogens. Dennoch äußerten die Trainer den Wunsch, den Bogen nicht nur im Wettkampfkontext, sondern eben auch im Trainingsumfeld oder aber zur Selbstreflektion der Athleten nutzen zu wollen, so dass nun final drei verschiedene Varianten mit den jeweils passenden Verhaltensweisen gestaltet wurden und für den Einsatz beim DVV zur Verfügung stehen.

Publikationen:

Baumgärtner, S. D., Oppawsky, J. & Hänsel, F. (2017). Psychologische Talentauswahlkriterien im Nachwuchsleistungsvolleyball. In K. Langolf & R. Roth (Hrsg.), Volleyball international in Forschung und Lehre 2016. 41. Internationales Hochschul-Symposium des deutschen Volleyball-Verbandes (S. 7-13). Hamburg: Feldhaus.

Baumgärtner, S. D., Oppawsky, J. & Hänsel, F. (2017). Talentselektion im Deutschen Volleyball-Verband: Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes zur Erfassung psychologischer Leistungskomponenten. In A. Conzelmann (Hrsg.), Gelingende Entwicklung im Lebenslauf. 49. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) vom 25. bis 27. Mai 2017 in Bern. Unveröffentlichter Tagungsband: Universität Bern.

Hänsel, F., Baumgärtner, S. D. & Krawietz, S. A. (2018). Talentselektion im Deutschen Volleyball-Verband: Entwicklung eines standardisierten Erhebungsinstruments zur Erfassung psychologischer Leistungskomponenten. In Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), BISp-Jahrbuch Forschungsförderung 2017/18 (S. 365-369). Bonn: BISp.

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