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Margarete-Susman-Briefedition

Forschungprojekt von Martin J. Kudla

Margarete Susman (1872–1966) ist eine der bedeutendsten Denkerinnen der modernen deutsch-jüdischen Kultur- und Geisteswelt. Als Dichterin, Philosophin, Essayistin und Kritikerin schuf sie ein umfassendes Werk, das nicht nur von einem Leben, wie Susman sagt, „in zwei Jahrhunderten mit ganz verschiedenen Wirklichkeiten und Welterfassungen“ zeugt, sondern auch impulsgebend bis in unsere Gegenwart in philosophische, literaturhistorische, modernetheoretische und feministische Diskurse hineinwirkt. 

Ihre vielfältigen Beziehungen zu jüdischen und nichtjüdischen Weggefährt:innen, im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, während zweier Weltkriege und wiederholt und ab 1933 endgültig in der Schweiz, erlauben bedeutsame, insbesondere auch bisher kaum beachtete Frauennetzwerke zu durchleuchten. In ihren „vielen Leben“ war Margarete Susman befreundet mit Persönlichkeiten wie Georg Simmel, Martin Buber, Gustav Landauer, Franz Rosenzweig, Paul Celan und Hermann Levin Goldschmidt, aber auch mit Gertrud Kantorowicz, Lore Salzberger, Bertha Pappenheim, Edith Scheinmann-Rosenzweig, Ilse Blumenthal-Weiss, Edith Mendelssohn Bartholdy, Bertha Huber-Bindschedler, Edith Landmann und Dora Edinger. Susman war eine dialogische Denkerin, die ihre Positionen im Gespräch und durch die Lektüre von Texten entwickelte, deren Einfluss auf ihr Umfeld aber erst langsam in jüngerer Zeit in seiner Tragweite erfasst wird. 

Die umfassende Erschließung und Edition der von der Forschung bisher weitgehend unbearbeiteten und unberücksichtigten Korrespondenzen, etwa 10.000 Briefe, verstreut in über 30 Archiven und vielen Privatnachlässen, verspricht eine Vielzahl bedeutender Einsichten in die deutsch-jüdische Sozial-, Kultur- und Geistesgeschichte, in das dialogische Denken Susmans, in ihre Biographie und nicht zuletzt in ihre Jahrzehnte währenden Bemühungen um ein jüdisch-christliches Gespräch. Eine kommentierte, kritische Edition von Briefen und Gegenbriefen Margarete Susmans ist seit langem ein Desiderat der Forschung.